Praxis-Check 3D-Druck: mit Großraumdruck Kosten und Material sparen und Funktionalität integrieren
Im neusten Praxis-Check 3D-Druck hat Niedersachsen ADDITIV die Kinderrehatechnik-Firma Strehl dabei unterstützt, im Großraumdruck eine komplette kundenspezifische Sitzorthese zu drucken. Mit Hilfe der Additiven Fertigung sollen Arbeitsschritte und Abfälle eingespart werden.
Das Unternehmen
Die Strehl GmbH & Co. KG (im Folgenden kurz Strehl) ist ein Rehatechnik-Betrieb aus Bremervörde, der seit über 25 Jahren kundenindividuelle Lösungen für vorrangig schwerstbehinderte Kinder herstellt. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf Sitzorthesen, ohne die die Kinder ihren Alltag nicht bewältigen können.
Die Idee
Jede Sitzorthese aus dem Hause Strehl ist eine individuelle Anfertigung. Dafür nehmen Mitarbeiter einen digitalen Scan vom Rücken des Kindes auf, um mit diesen Informationen mit einem Siebenachsroboters eine Form aus Polyurethanen (PU)-Schaum auszufräsen . Aus dieser Form wird eine Polyethylen-Platte tiefgezogen, die die Basis der Sitzorthese bildet. Nach einigem Nachbearbeiten stattet Strehl die Sitzorthesen mit Sitzpolstern aus und bezieht diese.
Im Praxis-Check 3D-Druck sollte zusammen mit Niedersachsen ADDITIV ausprobiert und evaluiert werden, inwieweit man eine komplette Sitzorthese im Großraumdruck realisieren kann. Der 3D-Druck würde das Fräsen, bei dem viel schädlicher Ausschuss entsteht, und das Tiefziehen ersetzen. Strehl erhofft sich durch den Einsatz eines Großraumdruckers vor allem eine Kosten- und Abfallreduktion.
Die Umsetzung
Die Sitzschalen wurden auf einem BigRep Studio G2-Großraumdrucker mit zwei unterschiedlichen Druck-Strategien gedruckt. In einer Variante versuchte das Team von Niedersachsen ADDITIV, den Sitz so zu drucken, wie er nach dem Tiefziehen aussieht – mit einer vollen Fläche, ähnlich einem Gussteil. In einer zweiten Variante wurde die Sitzfläche in einer Wabenstruktur gedruckt. Diese hätte mehrere Vorteile: Neben der offensichtlichen Gewichtseinsparung wäre der Sitz besser belüftet. Außerdem ließe sich die Wabenstruktur im besten Fall gezielt lokal anpassen, um Bereiche steifer oder weicher Bereiche zu machen.
Das Ergebnis
Die Druckergebnisse beider Varianten sind vielversprechend. Sie sind in Abbildung 3 zu sehen. Wie zu erwarten, ist die Sitzorthese mit Wabenstruktur mit 0,58 kg deutlich leichter als die vollflächige mit 1,16 kg Gewicht. Nicht so intuitiv verhält es sich bei der Druckzeit. Die Orthese mit Wabenstruktur benötigte mit ca. 42 Druckstunden über 2-mal so lang wie die vollflächige Orthese mit 20 Druckstunden. Beim Druck der Wabenstruktur muss der Druckkopf sehr häufig neu ansetzen. Dieser Vorgang dauert verhältnismäßig lang. Außerdem sind durch die starken Überhänge, die in den Waben entstehen, viel mehr Stützstrukturen nötig als bei der vollflächigen Orthese. Auch das Entfernen der Stützstrukturen war bei der Wabenstruktur aufwendiger.
Mit dem Großraum-3D-Drucker konnte erfolgreich gezeigt werden, dass es möglich ist, Sitzorthesen in einem Schritt herzustellen und dadurch Fräsen und Tiefziehen zu sparen. Dadurch können Nachbearbeitungen und andere Arbeitsschritte eingespart werden. Da sich diese automatisieren lassen, wird der Herstellungsprozess insgesamt effizienter. Auch fällt deutlich weniger Ausschuss an, als wenn eine Form aus PU-Schaum gefräst wird, wie es aktuell bei Strehl die Praxis ist. Vom Zeitfaktor bietet die Additive Fertigung in diesem Fall keinen Vorteil, da der Druck mit Wabenstruktur mit 42 Stunden deutlich länger ist, als die ca. 30 Stunden, die es laut Strehl dauert, bis aus einem 3D-Scan eine tiefgezogene Sitzschale hergestellt ist. Zu bedenken ist: der 3D-Druck läuft autark und auch über Nacht, wodurch effektiv Arbeitsstunden eingespart werden könnten.
Ausblick
Die erfolgreichen Großraumdrucke konnten Strehl davon überzeugen, dass es möglich ist, komplexe und große Produkte mit höchsten Anforderungen zu drucken. In Zukunft möchte Strehl mit dem hauseigenen Drucker Sitze aus einzelnen Modulen drucken, die dann wie ein großes Puzzle zusammengesetzt werden können. Dadurch würden sie zum einen die Anschaffungskosten für einen Großraumdrucker sparen und zum anderen das Risiko von Ausschuss bei einem fehlerhaften Druck senken. Eine andere Alternative wäre eine größere Düse in Kombination mit einem Pellet-basierten Extruder einzusetzen, dies reduziert deutlich die Druckzeiten und würde den Druck des kompletten Teils attraktiver machen.