Multifunktional und stärker: diesjährige 3D-Druck-Trends auf der Formnext
Die Industriemesse der Additiven Fertigung Formnext ist vorbei: Neben dem üblichen Klohn-Krieg der Consumer-Drucker gab es neue multifunktionale Geräte sowie Materialneuerungen.
Die Formnext ist der weltweite, jährliche Branchentreff der Additiven Fertigung. Auf der Messe in Frankfurt waren mehr als 34.000 Besucher vor Ort um Neuheiten zu bewundern, sich weiterzubilden oder Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Das Team von Niedersachsen ADDITIV war auch auf der Messe unterwegs und am Stand des Laser Zentrums Hannover e.V. anzutreffen.
In diesem Jahr haben sich die verschiedenen Drucksegmente weiterentwickelt: Die Druckbereiche werden größer, die Maschinen werden intelligenter und übernehmen zusätzliche Aufgaben, die Materialvielfalt nimmt zu und ihre Eigenschaften werden ausgeprägter. Wir haben spannende und außergewöhnliche Entwicklungen von Messeständen und Gesprächen zusammengestellt.
Außergewöhnliche Materialien für FDM-Filament
Wer Silikon-Teile benötigt, wird wissen, dass man das visköse Material nicht einfach wie eine Filament-Schnur einlegen und drucken kann: Silikon besteht aus zwei Komponenten, die getrennt aufbewahrt und erst bei der eigentlichen Verwendung zusammengeführt werden können. Darum gibt es in der Regel für Silikonbauteile eigene Drucker. Das Start-up Filament2 bietet hierfür aber eine weniger aufwendige Alternative, um Pasten und Pulver dieser Materialien additiv in Form zu bringen: Sie füllen das Material in Kunststoffröhren, wodurch man es in gewohnter FDM-Filamentform in umgerüstete, herkömmliche 3D-Drucker einspannen kann. Auf der Formnext zeigte der Aussteller gedruckte Elemente aus Silikon auf einem Standard-FDM-Drucker, dem BambuLab A1 Mini.
Um das Filament verwenden zu können, müssen Nutzer eine spezielle Nozzle einbauen, die den Kunststoffschlauch seitlich aufschneidet. Der Kunststoff wird beim Druck verworfen und das Bauteil besteht nur aus dem Materialkern.
Als Materialien möchte Filament2 neben Silikon auch Metalle wie Zirkonium und Aluminium sowie Epoxy und Essbares wie Schokolade anbieten. Das Start-up sieht für sein Filament Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt, in der Medizin, in der Lebensmittelindustrie, in der Elektronik und im Prototypenbau. Der Hersteller kann aktuell noch nicht verkaufen, lädt aber dazu ein, ihnen zu folgen und sie im Auge zu behalten.
FDM-Drucker für Consumer
Das Motto der bekannten Consumer-FDM-Drucker lautete schon in den letzten Jahren: schneller, bunter und weg vom „Bettschubsen“. BambuLab stieß den Trend samt markantem Design an. Die anderen Hersteller folgten und produzierten auch rechteckige Core XY-Drucker, die im Gegensatz zu den herkömmlichen Geräten mit beweglichem Druckbett den Druckkopf verfuhren. Dazu gab es eine Multimaterialeinheit, die auf oder neben dem Drucker platziert wurde. Mittlerweile scheint jeder Hersteller eine eigene Variante im Repertoire zu haben.
Anycubic stellt unbekannten Core XY-Drucker aus
Auf Anycubics Stand konnten Besucher einen bisher unbekannten Drucker begutachten: Mit dem Kobra S1 schließt sich Anycubic dem Trend an und baut einen Core XY-Drucker mit Gehäuse und Kunststofftür, Display am oberen Rand und Filament-Einheit. Der Druckraum soll 250 x 250 x 250 mm groß sein, ist also BambuLabs Core XY-Druckern mit 256 mm^3 recht ähnlich. Den Preis für den Kobra S1 gibt Anycubic auf der Formnext noch nicht bekannt, er soll aber kompetitiv sein.
Anycubics Multimaterialeinheit „Ace-Pro AMS“ beheizt seine Kammer und trocknet das Filament dadurch. Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann man an der AMS nicht ablesen. Zwei Einheiten soll man an dem Drucker anschließen können, sodass er auf acht Filamentrollen zugreift.
Creality
Mit Crealitys K1-Reihe hatte das chinesische Unternehmen schon einen Core XY-Drucker mit Gehäuse im Sortiment. Vor wenigen Wochen erschien zusätzlich der K2 Plus samt automatischem Materialsystem (AMS). Der neue Drucker ist mit seinem Druckraum von 350^3 mm allerdings deutlich größer als vergleichbare Modelle. Das AMS, die sogenannte CFS-Box, zeigt auf einem Display Temperatur und Luftfeuchtigkeit an. Sie scheint aber nicht aktiv beheizt zu sein. Bis zu vier Boxen mit jeweils vier Rollen Filament können Nutzer an einem Drucker anschließen. Creality bietet den Drucker im Angebot mit dem CFS und vier Rollen Filament für rund 1500 Dollar an.
Multimaterialwechsler nachrüsten für bis zu 20 Rollen
Co Print stellte sein ChromaSet bereits im letzten Jahr auf der Formnext aus. Dieses Jahr waren sie auch anzutreffen und zeigten ihre Aufrüstlösungen mit bekannten Creality-Modellen.
Der Hersteller bietet unterschiedliche Elemente für ihr Multifarbsystem an, die sich Nutzer zusammenstellen können. Darunter sind etwa ein Kontrollbildschirm, ein Druckkopf, einzelne oder Erweiterungs-Management-Module, Extruder und Hotend.
Am Stand stellte Co Print Varianten für die zwei bekannten Drucker-Firmwares Klipper und Marlin aus. Darunter etwa ein Ender 3 V3 Plus, der acht Filamentrollen per Bowden-Schlauch zum Druckkopf führte. Im Gegensatz zu den bekannten BambuLab-Druckern schneidet Co Prints Einheit also die Filamente nicht ab und scheidet die Materialreste aus dem Extruder in Häufchenform aus. Sie ziehen für saubere Übergänge zwischen den Farben stattdessen die Filamentfäden zurück und verdrucken überschüssiges Material in einen Turm. Co Print stellte auf der Messe zwar ein System für acht Filamentrollen aus, mit dem Erweiterungsmodul soll es aber möglich sein, bis zu 20 Rollen einzuziehen.
Das englische Start-up bot ihre Produkte ursprünglich über Kickstarter an. Unterstützer übertrafen die angegebene Finanzierungssumme um ein Vielfaches. Nun möchte Co Print bald an die Kickstarter-Unterstützer liefern. Mittlerweile können Kunden die Produkte auch im Co Print-Onlineshop bestellen.
Open Source: Prusa jetzt auch mit von der Core-XY-Partie
Der beliebte Open Source Hersteller Prusa hinkte dem Core XY-Trend hinterher und stellte mit dem Prusa MKS4 zuletzt ein Gerät vor, das beim Drucken sein Bett auf der Y-Achse bewegt, anstatt seinen Kopf. Mit dem frisch auf der Formnext präsentierten Core One holt Prusa jetzt auf und ruft sogar einen kompetitiven Preis auf. Für 1.049 Euro sind die Teile des Druckers zum selbst zusammenbauen erhältlich, für weitere 300 Euro wird er auch montiert geliefert. Prusas Materialwechsel MMU3 kostet zusätzlich knapp 300 Euro.
Der tschechische Hersteller scheint seinen Drucker mit eigenem Konstruktionsanspruch umgesetzt zu haben, denn seine Eigenschaften erinnern nicht an die Core XY-Drucker, die in den letzten Jahren erschienen sind. So ist der Druckraum etwa nicht quadratisch, sondern misst 250×220×270 mm. Die Werte kommen MKS4-Besitzern vielleicht bekannt vor, denn sie können mit einem Kit ihr Gerät umbauen und aufrüsten.
Der Core One hat ein eigenes, integriertes Gehäuse. Darin kann das Gerät die Druckraumtemperatur aktiv regulieren und Materialien erfolgreich aufeinanderschichten, die sowohl hohe als auch herkömmlich Temperaturen benötigen. Das Filament lagert nicht in einer Box auf dem Dach des Druckers, sondern ist in die Seitenwände eingelassen. Prusas neues Flagship extrudiert mit einem Nextruder Planetengetriebesystem und besitzt eine High-flow-Düse.
Für die hohe Stabilität, die man durch die Core XY-Bauweise erhält, verzichtet Prusa nun darauf, manche Bauteile aus eigens gedruckten Elementen herzustellen. Dies fällt bereits am Gehäuse des Displays auf, das nun im Spritzgussverfahren hergestellt wird.
BambuLab selbst stellt dieses Jahr kein neues Gerät vor. Auf der Formnext waren sie trotzdem mit einem großen Stand vertreten. An dem zeigten sie Projekte oder Spielereien wie ferngesteuerte Autos, die mit 3D-Druck entstanden sind.
Endlosfaser
Unter den Industriegeräteherstellern standen möglichst stabile Drucke im Fokus. So auch bei Endless Industries: Das Start-up möchte etwa aus Endlosfaserfilament Teile mit hoher Festigkeit und geringem Gewicht schichten. Eine Endlosfaser ist eine kontinuierliche Faser im Kern der Filament-Schnur. Herkömmliche Filamente werden im Unterschied dazu mit zerkleinerten Fasern versetzt. Bauteile daraus sind weniger stabil.
Um Kunden einen guten Preis anzubieten, greift Endless Industries auf bereits bestehende Drucker zurück und rüsten sie mit speziellen Druckköpfen aus. Für ihr Tischgerät verwenden sie zum Beispiel den Prusa XL, ersetzen aber nicht alle fünf Köpfe, sodass Nutzer mit den verbleibenden Köpfen auch herkömmliches Filament einspannen können.
Markforged
Nicht nur Start-ups setzen auf Endlosfaser: Auch Markforged kann mit seinem neuen Modell FX10 Endlos-Carbonfaser verarbeiten. Zudem können Nutzer den Druckkopf der Maschine austauschen und Verbundwerkstoffe oder Metall drucken. Als weitere Neuerung druckt Markforged nun auch Bauteile, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen können.
Innovationen im Resin-Prozess: micro factory automatisiert die Arbeitsschritte
Im Unterschied zum FDM-Verfahren liegt die für uns interessanteste Innovation nicht bei den Materialien, sondern bei den Maschinen. Die micro factory ist ein MSLA-Drucker und kombiniert alle drei Resin-Arbeitsschritte – Drucken, Waschen und Aushärten finden also in einem Gerät statt. So vermeiden Nutzer etwa Kontakt mit dem ungesunden Material.
Die micro factory kann mehrere Druckaufträge nacheinander bearbeiten. Bis zu sechs Druckbetten wirft sie nach deren Fertigstellung durch eine Klappe an der vorderen Seite aus. Die Druckbetten lagern dann in einem Schienensystem vor dem Drucker. Sollte das Resin in der Wanne sich dem Ende neigen, kann der Drucker aus einer angeschlossenen Flasche nachfüllen. Das Druckvolumen entspricht 120 x 190 x 200 mm. Mehr Details über das Druckersystem erfahren Sie in unserem Video-Interview auf LinkedIn.
Es ist zu erwarten, dass die anderen bekannten SLA-Druckerhersteller auf diesen Zug aufspringen und auf der nächsten Formnext ähnliche Kombigeräte vorstellen werden.
Formnext 2025 schon in Sicht
Die nächste Formnext ist für den 18. – 21. November 2025 bereits angekündigt. Wir freuen uns, Sie auf der nächsten Messe zu treffen. Sprechen Sie uns gerne vor Ort oder im Vorhinein an.