19) Was ist erforderlich, um Additive Fertigungsverfahren in industrielle Wertschöpfungsketten zu integrieren?
Kunden erwarten und fordern immer häufiger individualisierte und dennoch kostengünstige Produkte. Deshalb müssen die Unternehmen, um auch zukünftig wettbewerbsfähig agieren zu können, individualisierte Produkte zu einem Preis herstellen können, der bisher nur durch Massenfertigung erreicht werden konnte.
Additive Fertigungsverfahren sind ein Lösungsbaustein, um die daraus resultierenden technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen meistern zu können, denn 3D–Druckverfahren ermöglichen eine wirtschaftliche Produktion kleinster Losgrößen. Nun gilt es, den 3D–Druck erfolgreich in die industrielle Wertschöpfungskette eines Unternehmens zu integrieren.
Betriebliche Voraussetzungen
Die Additive Fertigung eignet sich primär zur Herstellung von individualisierten Produkten in Kleinserien, bis hin zur Losgröße 1. Damit die Integration in die betrieblichen Produktionsabläufe gelingt, bedarf es einer Reihe von Voraussetzungen:
- Automatisierte Handhabungseinrichtungen und Mechanismen zum Informationstransport sind so auszulegen, dass sie variable Objekte verarbeiten können.
- Die Prozessparameter, Druckmaterialien und Bearbeitungsschritte sind sorgfältig und nachvollziehbar zu dokumentieren, da diese bei variantenreichen Prozessen stark variieren.
- Die zahlreichen Einzelschritte eines Additiven Fertigungsprozesses müssen sich wirtschaftlich in die Wertschöpfungskette integrieren lassen.
Im Bild sind die übergeordneten Schritte von der Computerbezogenen Modellerstellung, über die Vorverarbeitung und Fertigung bis hin zur Nachbereitung dargestellt. Diese Schritte werden in den nachfolgenden Abschnitten näher beschrieben.
Computerbezogene Modellerstellung und Vorverarbeitung
1 – Am Computer entsteht das 3D–CAD Modell
Im ersten Schritt entsteht das Bauteil als 3D–Modell im Computer mithilfe einer CAD–Software oder durch Einscannen von Bauteilen, die als Vorlage dienen. Richtlinien für die Konstruktion und Gestaltung von 3D–Bauteilen sind zurzeit Thema diverser Forschungsprojekte. Aktuell erzeugen Konstrukteure prozessgerechte 3D–Daten noch weitgehend auf Basis ihrer Erfahrung.
2 – Eine druckbare Datei wird erstellt
Die Datei mit dem fertigen 3D–Modell des Bauteils exportiert der Konstrukteur in eine druckbare Datei, zum Beispiel im STL–Format (StandardTriangulation/TesselationLanguage). Dieses Dateiformat ist in der Additiven Fertigung weit verbreitet und dient als Eingabeformat für spezielle, vom 3D–Drucker abhängige Softwaresysteme.
Vorverarbeitung
3 – Die Daten werden auf den 3D–Drucker übertragen
Die Softwaresysteme von 3D–Druckern unterstützen das STL–Dateiformat und bereiten die Daten für den Druckprozess vor. Fertigungsparameter wie z. B. die Bauposition und die Bauteilorientierung werden dabei eingestellt. Diese Parameter beeinflussen maßgeblich die Qualität der Bauteile sowie die Fertigungsgeschwindigkeit.
Viele Hersteller von 3D–Druckern geben für bestimmte Materialien bereits Parametersätze vor. Trotzdem bedarf es eines erfahrenen Anlagenbedieners, um die Parameter optimal auf das zu fertigende Bauteil abzustimmen.
4 – Der 3D–Drucker wird gerüstet
Bevor der Druckprozess beginnen kann, muss der 3D–Drucker gerüstet werden. Dazu muss der Bediener die Anlage kalibrieren und säubern sowie das Druckmaterial einlegen.
Fertigung
5 –Die Fertigung des Bauteils beginnt
Nun beginnt die eigentliche Herstellung des Bauteils. Für die Bewertung des Fertigungsprozesses sind folgende Faktoren relevant:
- Qualität der Bauteile
Um beim 3D-Druck das gewünschte Qualitätsniveau zu erreichen, bedarf es bei allen Fertigungsschritten größter Sorgfalt. Angefangen beim Erstellen des 3D-Modells am Computer, über die Auswahl der Parameter, das Rüsten der Anlage bis hin zum Druckprozess und der anschließenden Nachbearbeitung.
- Prozesssicherheit
Noch sind die 3D-Druckanlagen wenig prozesssicher. Deshalb lassen sich Druckprozesse nicht immer wie gewünscht reproduzieren. Jedoch bieten einige Hersteller von pulverbasierten 3D-Druckanlagen, z. B. zum Laserstrahlschmelzen und Lasersintern, Lösungen für die schichtweise Prozessüberprüfung während der Fertigung des Bauteils an.
- Produktivität der Anlagen
3D-Druckanlagen arbeiten verhältnismäßig langsam. Allerdings lässt sich ihre Produktivität relativ einfach steigern, indem man mehrere kleine Anlagen in sogenannten Druckerfarmen gleichzeitig betreibt (siehe auch Kapitel „Wirtschaftlichkeit Additiver Fertigungsanlagen).
Nachbereitung
Wurde das Bauteil aus dem 3D–Drucker entnommen, ist zumeist eine Nachbearbeitung erforderlich, um Stützstrukturen und überflüssiges Material wie beispielsweise Pulverreste zu entfernen. Bei einigen Verfahren findet eine spezielle Nachbehandlung statt, etwa um bestimmte mechanische Eigenschaften zu erzielen.
Häufig folgen weitere Maßnahmen, um die Eigenschaften der Bauteile zu verändern:
- Mithilfe von Schleifverfahren oder Lackierungen lässt sich die Oberflächengüte und Geometrie von additiv gefertigten Kunststoffprodukten verbessern.
- Infiltriert man die Bauteile mit Chemikalien lassen sich zudem die physikalischen Eigenschaften verändern.
- Bei Metallbauteilen kommen häufig spanende Verfahren zum Einsatz, um die Oberflächengüte und die geometrischen Eigenschaften zu verbessern.
- Mit Wärmebehandlungen lassen sich die mechanischen Eigenschaften der Bauteile anpassen.
Das additiv gefertigte Bauteil wird entweder direkt verwendet oder in anschließenden Montageschritten mit zusätzlichen Einzelbauteilen zu einem kommerziell nutzbaren Produkt vervollständigt.