07 Jul

19) Was ist erforderlich, um Additive Fertigungsverfahren in industrielle Wertschöpfungsketten zu integrieren?

Kunden erwarten und fordern immer häufiger individualisierte und dennoch kostengünstige Produkte. Deshalb müssen die Unternehmen, um auch zukünftig wettbewerbsfähig agieren zu können, individualisierte Produkte zu einem Preis herstellen können, der bisher nur durch Massenfertigung erreicht werden konnte.

Additive Fertigungsverfahren sind ein Lösungsbaustein, um die daraus resultierenden technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen meistern zu können, denn 3DDruckverfahren ermöglichen eine wirtschaftliche Produktion kleinster Losgrößen. Nun gilt es, den 3DDruck erfolgreich in die industrielle Wertschöpfungskette eines Unternehmens zu integrieren.

Betriebliche Voraussetzungen

Die Additive Fertigung eignet sich primär zur Herstellung von individualisierten Produkten in Kleinserien, bis hin zur Losgröße 1. Damit die Integration in die betrieblichen Produktionsabläufe gelingt, bedarf es einer Reihe von Voraussetzungen:

  • Automatisierte Handhabungseinrichtungen und Mechanismen zum Informationstransport sind so auszulegen, dass sie variable Objekte verarbeiten können.
  • Die Prozessparameter, Druckmaterialien und Bearbeitungsschritte sind sorgfältig und nachvollziehbar zu dokumentieren, da diese bei variantenreichen Prozessen stark variieren.
  • Die zahlreichen Einzelschritte eines Additiven Fertigungsprozesses müssen sich wirtschaftlich in die Wertschöpfungskette integrieren lassen.

Im Bild sind die übergeordneten Schritte von der Computerbezogenen Modellerstellung, über die Vorverarbeitung und Fertigung bis hin zur Nachbereitung dargestellt. Diese Schritte werden in den nachfolgenden Abschnitten näher beschrieben.

Bild: Additive Prozesskette von der Datenvorbereitung bis zum fertigen Produkt (Quelle: Eigene Darstellung nach Breuninger 2013 und Gibson 2010)

Computerbezogene Modellerstellung und Vorverarbeitung

1 Am Computer entsteht das 3DCAD Modell
Im ersten Schritt entsteht das Bauteil als 3DModell im Computer mithilfe einer CADSoftware oder durch Einscannen von Bauteilen, die als Vorlage dienen. Richtlinien für die Konstruktion und Gestaltung von 3DBauteilen sind zurzeit Thema diverser Forschungsprojekte. Aktuell erzeugen Konstrukteure prozessgerechte 3DDaten noch weitgehend auf Basis ihrer Erfahrung.

2 Eine druckbare Datei wird erstellt
Die Datei mit dem fertigen 3DModell des Bauteils exportiert der Konstrukteur in eine druckbare Datei, zum Beispiel im STLFormat (StandardTriangulation/TesselationLanguage). Dieses Dateiformat ist in der Additiven Fertigung weit verbreitet und dient als Eingabeformat für spezielle, vom 3DDrucker abhängige Softwaresysteme.

Vorverarbeitung

3 Die Daten werden auf den 3DDrucker übertragen
Die Softwaresysteme von 3DDruckern unterstützen das STLDateiformat und bereiten die Daten für den Druckprozess vor. Fertigungsparameter wie z. B. die Bauposition und die Bauteilorientierung werden dabei eingestellt. Diese Parameter beeinflussen maßgeblich die Qualität der Bauteile sowie die Fertigungsgeschwindigkeit.

Viele Hersteller von 3DDruckern geben für bestimmte Materialien bereits Parametersätze vor. Trotzdem bedarf es eines erfahrenen Anlagenbedieners, um die Parameter optimal auf das zu fertigende Bauteil abzustimmen.

4 Der 3DDrucker wird gerüstet
Bevor der Druckprozess beginnen kann, muss der 3DDrucker gerüstet werden. Dazu muss der Bediener die Anlage kalibrieren und säubern sowie das Druckmaterial einlegen.

Fertigung

5 Die Fertigung des Bauteils beginnt
Nun beginnt die eigentliche Herstellung des Bauteils. Für die Bewertung des Fertigungsprozesses sind folgende Faktoren relevant:

  • Qualität der Bauteile
    Um beim 3D-Druck das gewünschte Qualitätsniveau zu erreichen, bedarf es bei allen Fertigungsschritten größter Sorgfalt. Angefangen beim Erstellen des 3D-Modells am Computer, über die Auswahl der Parameter, das Rüsten der Anlage bis hin zum Druckprozess und der anschließenden Nachbearbeitung.

  • Prozesssicherheit
    Noch sind die 3D-Druckanlagen wenig prozesssicher. Deshalb lassen sich Druckprozesse nicht immer wie gewünscht reproduzieren. Jedoch bieten einige Hersteller von pulverbasierten 3D-Druckanlagen, z. B. zum Laserstrahlschmelzen und Lasersintern, Lösungen für die schichtweise Prozessüberprüfung während der Fertigung des Bauteils an.
  • Produktivität der Anlagen
    3D-Druckanlagen arbeiten verhältnismäßig langsam. Allerdings lässt sich ihre Produktivität relativ einfach steigern, indem man mehrere kleine Anlagen in sogenannten Druckerfarmen gleichzeitig betreibt (siehe auch Kapitel „Wirtschaftlichkeit Additiver Fertigungsanlagen).

Nachbereitung

Wurde das Bauteil aus dem 3DDrucker entnommen, ist zumeist eine Nachbearbeitung erforderlich, um Stützstrukturen und überflüssiges Material wie beispielsweise Pulverreste zu entfernen. Bei einigen Verfahren findet eine spezielle Nachbehandlung statt, etwa um bestimmte mechanische Eigenschaften zu erzielen.

Häufig folgen weitere Maßnahmen, um die Eigenschaften der Bauteile zu verändern:

  • Mithilfe von Schleifverfahren oder Lackierungen lässt sich die Oberflächengüte und Geometrie von additiv gefertigten Kunststoffprodukten verbessern.
  • Infiltriert man die Bauteile mit Chemikalien lassen sich zudem die physikalischen Eigenschaften verändern.
  • Bei Metallbauteilen kommen häufig spanende Verfahren zum Einsatz, um die Oberflächengüte und die geometrischen Eigenschaften zu verbessern.
  • Mit Wärmebehandlungen lassen sich die mechanischen Eigenschaften der Bauteile anpassen.

Das additiv gefertigte Bauteil wird entweder direkt verwendet oder in anschließenden Montageschritten mit zusätzlichen Einzelbauteilen zu einem kommerziell nutzbaren Produkt vervollständigt.